Es gibt Einsätze, die selbst erfahrene Tierrettungskräfte sprachlos machen. Einsätze, die uns lange nachgehen, weil sie nicht nur das Leid der Tiere zeigen, sondern auch menschliche Abgründe offenbaren.
Teil 5: Die Schattenseite der Tierrettung
Wir stehen in einem völlig verwahrlosten Haushalt. Der Gestank von Tierfäkalien brennt in der Nase, überall liegt Unrat. Das was mal ein Wohnzimmer war, dient als eine "Hundezuchtstätte". Die Rollläden sind unten, die Fenster geschlossen, Trennwände aus Spanplatten formen mehrere Boxen, in denen Hündinnen mit ihren Welpen eingepfercht sind. Ein Leben in völliger Dunkelheit, ohne frische Luft, ohne sauberes Wasser, ohne Liebe und Fürsorge. Mitten in diesem Chaos hallen Schreie durch das Haus – Protestschreie der Tierbesitzer, während gleichzeitig das laute Weinen der Kinder die Szenerie durchbricht. Kinder, die nicht nur in diesen erschreckenden Zuständen aufwachsen mussten, sondern nun auch mit ansehen, wie die Staatsgewalt ihren gewaltbereiten Vater unsanft in Handschellen auf den Küchenboden zwingt.
Die Polizei, das Ordnungsamt und das Veterinäramt sind vor Ort. Wir wurden angefordert, um die Hunde und Katzen zu sichern und in umliegende Tierheime zu bringen.
Diese Einsätze sind keine Einzelfälle mehr. Früher waren solche Situationen Ausnahmen. Heute sind sie unser Alltag.
Wir haben mittlerweile jede Woche solche Einsätze.
Jede Woche betreten wir Häuser, in denen Tiere unter schlimmsten Bedingungen gehalten werden. Jede Woche nehmen wir völlig verstörte, verängstigte Haustiere mit. Jede Woche erleben wir Gewalt, Elend und Leid – nicht nur der Tiere, sondern auch der Menschen, die in diesen Zuständen leben. Und vor allem das der Kinder.
Und doch dürfen wir kaum darüber sprechen. Wir werden regelmäßig ermahnt, solche Einsätze nicht öffentlich zu machen.
🔹 Zu heikel.
🔹 Zu viele Emotionen.
🔹 Zu viel Kritik an Behörden und Strukturen.
Doch hinter den Kulissen spielt sich so viel mehr ab, als die Öffentlichkeit erfährt.
Die Realität unserer Arbeit wird oft bewusst verschwiegen. Solche Einsätze gehen uns nicht nur körperlich, sondern auch psychisch an die Substanz. Wir sehen verstörte, misshandelte Tiere, die von Menschen als bloße Ware behandelt, oder schlichtweg zurück gelassen wurden.
Doch während Polizei, Feuerwehr und Ordnungsamt psychologische Betreuung und Nachsorge in Anspruch nehmen können, stehen wir als Tierrettung allein da.
🛑 Keine Supervision.
🛑 Keine Krisenintervention.
🛑 Keine psychologische Hilfe.
Wir sind das kleinste Glied in der Rettungskette, aber wir tragen eine der größten emotionalen Lasten – und doch interessiert es niemanden, wie wir damit umgehen.
Es gibt keine Gespräche danach. Keine Aufarbeitung. Wir packen die Tiere ein, bringen sie in Sicherheit – und fahren weiter zum nächsten Einsatz und müssen dort wieder zu hundert Prozent funktionieren.
Aber das Erlebte bleibt. Die Bilder, die Gerüche, die Schreie der Menschen und der Tiere.